Wachstumsschmerz!
Die Schweiz nimmt trotz hoher institutioneller Stabilität die Zuwanderung zunehmend als Herausforderung wahr. Während die wirtschaftlichen und kulturellen Auswirkungen der Zuwanderung positiv gesehen werden, werden die Auswirkungen auf Infrastruktur, Wohnungsangebot und Umwelt negativ bewertet. Diese Skepsis gegenüber der Zuwanderung betrifft nun auch ehemals zuwanderungsfreundliche Kreise. Die Bevölkerung ist hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach Begrenzung der Zuwanderung und der Notwendigkeit für wirtschaftliches Wachstum oder genügend Fachkräften, wie zum Beispiel im Gesundheitswesen. Die Politik ist aufgefordert, jetzt den Dialog über die Risiken zu führen und Lösungen zu präsentieren. Damit die Schmerzen keines Wachstums – im Gegensatz zu den Schmerzen des Wachstums – der Schweiz die Zukunft nicht verbauen.
Einwanderungsland Schweiz benötigt einen Umbau!
Digitalisierung und Energieversorgung bergen vor allem Chancen
Das Chancenbarometer zeigt auf, welche politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen die Bevölkerung beschäftigen. Für ausgewählte Themenbereiche wird zum einen danach gefragt, ob der jeweilige Bereich Chancen für Neues bietet, und zum anderen, wie gross der Handlungsbedarf ist. Am meisten Chancenpotenziale macht die Schweizer Bevölkerung bei der Digitalisierung und der Energieversorgung aus. Auch beim Arbeitskräftemangel vermag die Bevölkerung Chancen zu erkennen.
Finanzierung der Gesundheitskosten ist dringendstes Problem
Das Verdikt für das Jahr 2024 ist deutlich: Dort wo die Politik am meisten ansteht, bei der Finanzierung des Gesundheitswesens, sieht auch die Bevölkerung den dringendsten Handlungsbedarf.
Initiant StrategieDialog21
Die Schweizer:innen haben ein überdurchschnittliches Vertrauen in ihre Institutionen, misstrauen jedoch der EU.
Die Bewertungen von Chancen und Handlungsbedarf blieben sehr stabil, zum Teil auf hohem Niveau. Doch ein Bereich schert aus: die Zuwanderung. Das Thema bewegt: Der Handlungsbedarf steigt, der Chancenblick sinkt – Lösungen sind gefragt!
Bei den Auswirkungen der Zuwanderung dominieren Herausforderungen. Doch es werden auch Chancen wie AHV und Multikulturalität gesehen.
Die Schweiz ist ein Einwanderungsland. Die positiven Aspekte der Zuwanderung sieht die Bevölkerung vor allem im Wirtschaftswachstum. Doch die negativen Aspekte überwiegen, wobei diese vorwiegend im Bereich der Infrastruktur liegen.
65% fühlen sich beunruhigt von der Vorstellung einer 10-Millionen-Schweiz. Doch die persönliche Betroffenheit ist bei vielen geringer als die empfundene Beunruhigung.
Die Befragten schätzen nicht nur die Zahl der Zugewanderten zu hoch ein. Sie machen sich auch ein falsches Bild davon, woher sie kommen. Die allermeisten haben auch das Gefühl, nicht von der seit langem anhaltenden Wachstumsphase zu profitieren. Der Wunsch nach weniger Zuwanderung statt starkem Wachstum ist weit verbreitet. Und doch soll die Schweizer Wirtschaft im gleichen Umfang wachsen wie bisher – das finden fast alle.
Die Bevölkerung wünscht Massnahmen gegen die Zuwanderung. Doch darüber, was und wie reguliert werden soll, gehen die Meinungen weit auseinander.
Den öffentlichen Verkehr stärker ausbauen.
Das inländische Arbeitspotenzial durch steuerliche Anreize für das Arbeiten über das AHV-Alter hinaus besser abschöpfen.
Das inländische Arbeitspotenzial besser nutzen, indem Kitas stärker gefördert werden.
Keine Beschränkung der Zuwanderung, da sie sich von selbst reguliert.
Wer mehr Wohnraum/Quadratmeter nutzt, soll eine entsprechende Abgabe pro Jahr bezahlen.
Reservierung einer Autobahnspur für Fahrzeuge mit mindestens zwei Personen.
Gar keine Zuwanderung mehr zulassen.
Die Politik ist nun dringend gefordert, Lösungen zu erarbeiten. Es ist eine grosse Aufgabe, Transparenz darüber zu schaffen, was es heisst, wenn das Wirtschaftswachstum einer restriktiveren Einwanderungspolitik anzupassen wäre. Es gilt insbesondere auch aufzuzeigen, dass viele Engpässe im Wohnungsbau und in der Infrastruktur selbstverschuldet sind. Gerade hier ist Handeln angesagt.
Die Folgen der starken Zuwanderung lassen sich nicht mehr schönreden. Praktisch alle Befragten wollen Massnahmen sehen. Die Politik muss Farbe bekennen und ernsthaft nach Lösungen suchen. Das Einwanderungsland Schweiz benötigt einen Umbau, der den aktuellen Zuzug dämpft und gleichzeitig qualitativ aufwertet sowie die Engpässe in der Infrastruktur behebt.
Nur wenige wollen die Zuwanderung abwürgen – und damit das Wirtschaftswachstum als Haupttreiber der Zuwanderung. Eine breite Diskussion über die Wechselwirkungen und Risiken einer enger gefassten Einwanderungspolitik ist nötig. Dabei sind auch die bald stark schrumpfenden Bevölkerungen in Europa im Auge zu behalten. Die Politik steht in einer Dialogpflicht mit den Bürger:innen des Landes.
Längst nicht mehr bestimmen kulturelle Ängste oder sogar Fremdenfeindlichkeit die Kritik an der Zuwanderung. Es sind in allererster Linie «technische» Dinge wie besonders der Wohnungsmangel sowie generelle Infrastrukturengpässe namentlich beim Verkehr, die für Ärger sorgen. Diese hausgemachten Probleme sind auf Fluten von Einsprachen, bürokratische Hindernisse und politische Nicht-Entscheide zurückzuführen. Hier müssen Lösungen ansetzen.
Obwohl die Erwerbsquote in der Schweiz bereits hoch ist, gibt es Reserven, die mit richtigen Anreizen auszuschöpfen sind. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss verbessert werden, insbesondere durch die Förderung der familienergänzenden
Kinderbetreuung. Und durch die Abschaffung der Heiratsstrafe. Vorsorgeanpassungen können zudem das Arbeiten über das AHV-Alter hinaus fördern.
Mit gegen zwei Dritteln ist die Migration mit den Ländern der EU verbunden. Die EU könnte ein Teil der Lösung sein, wenn sie bereit ist, bei der Personenfreizügigkeit Konzessionen zu machen. Konkret geht es um die Schutzklausel im Rahmen der aktuellen Verhandlungen zum Rahmenvertrag. Im Idealfall wird eine Klausel gefunden, «die für die EU nicht zu weit geht und für die Schweiz weit genug» (NZZ).