Singapur wird oft als “Schweiz von Asien” bezeichnet. Aus diesem Grund wurden Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Ländern auch in einigen Berichten über den Tod von Lee Kuan Yew thematisiert. Der Staatsgründer und erste Premierminister des Stadtstaates ist Ende März verstorben. Seine Vision und deren konsequente Umsetzung führten zum Wohlstand Singapurs – auf diesen beziehen sich die meisten Vergleiche: Sowohl die Schweiz, als auch Singapur haben es als kleine Länder ohne Rohstoffe zu wirtschaftlichem Erfolg gebracht. Mit Blick auf wirtschaftliche Indikatoren wurde Singapur schon als bessere Schweiz bezeichnet.

Die Kernthemen des SD21 sind Wirtschaft & Technologie, Bildung & Kultur sowie Gesellschaft & Individuum. Vergleichen wir die Schweiz und Singapur durch diese thematischen Brillen, müssen neben wirtschaftlichen Aspekten auch die gesellschaftliche Freiheit und das politische System berücksichtigt werden. Dabei zeigt sich, dass Singapur aus dieser Perspektive nicht die “Schweiz von Asien” ist. Wie dieser NZZ-Artikel argumentiert, träumen nicht nur in Singapur viele Asiatinnen und Asiaten von den (fehlenden) Freiheiten, die in der Schweiz selbstverständlich sind. Ausserdem verhindert der helvetische Föderalismus im politischen System eine Machtfülle, wie sie Lee Kuan Yew pflegte und die nach seinem Tod eine grosse Frage aufwirft: Was kommt danach?

Es passt jedoch, die Schweiz und Singapur hinsichtlich einer gemeinsamen Herausforderung zu vergleichen: Als Erfolgsmodell erfolgreich zu bleiben. Singapur muss sich damit nach dem Tod ihres Visionärs auseinandersetzen. Für die Schweiz zeigen aktuelle Zahlen, welche die sinkende Attraktivität des Landes für ausländische Firmen darlegen, eine Facette der problematischen Situation. Zum Zusammenspiel zwischen vergangenen und künftigen Erfolgen passt die Einschätzung aus einem Blogpost von Peter Gottwald, dem ehemaligen deutschen Botschafter in der Schweiz: “Die erfolgreichen Rezepte von gestern werden nur dann auch für die Zukunft taugen, wenn sie den dramatischen Veränderungen gerecht werden.”

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