Die Eidgenössischen Wahlen sind Vergangenheit. Die Resonanz der sechsmonatigen Aufführung stand in keinem Verhältnis zum Aufwand. Das Publikum, die 8,1 Millionen Bewohnerinnen und Bewohner des Landes, hat unterschiedliche Reaktionen gezeigt: Von den 5,2 Millionen Wahlberechtigten haben viele mit Kopfschütteln und Unverständnis reagiert und mehr als die Hälfte zeigte überhaupt kein Interesse am inszenierten Spektakel. Als Sieger von der Bühne gingen die von 15 Prozent der Bevölkerung Gewählten.  

Die politischen Parteien haben nicht erfüllt. Das Vertrauen in diese ist gering, verglichen mit anderen gesellschaftlichen und politischen Institutionen, und in letzter Zeit rückläufig. Hielten 1988 die vier Parteien FDP, CVP, SVP und SP noch drei Viertel der Exekutivsitze in den Schweizer Gemeinden, so ist dieser Anteil 2009 auf 55 Prozent und seither noch weiter zurückgegangen. Klar stärkste politische Kraft in den kommunalen Exekutiven bilden heute die Parteilosen. Ihr Anteil ist in den letzten 15 Jahren auf rund 33 Prozent gestiegen.  

Obwohl, oder gerade weil in der Schweiz die Volksrechte stark ausgebaut sind, ist festzustellen, dass die Opposition gegenüber den Behörden zugenommen hat. Das verstärkt polarisierende Parteiensystem geht einher mit einem sinkenden Kooperationswillen. Die Stärkung der Polparteien führt zu einer „zentrifugalen Demokratie“. Diese Entwicklung lässt wenig Gutes erwarten (Adrian Vatter).

Zwei grosse, von den politischen Parteien viel zu wenig genutzten Potenziale könnten mithelfen, ihre Verankerung im Volk wieder zu stärken.

Da sind einmal die Nichtwählenden ganz allgemein. Also die Mehrheit der Wahlberechtigten. 41 Prozent von ihnen sind politisch desinteressiert oder verdrossen, 38 Prozent müssen als inkompetente oder sozial isolierte Nichtwählende bezeichnet werden (UniPress). Zumindest die erste Gruppe, über eine Million, dürfte „abholbar“ sein.

Die zweite grob vernachlässigte Gruppe besteht aus den unter 45-jährigen, insbesondere aber den Jungen ganz generell. Podiumsdiskussionen an höheren Schulen und Gymnasien als Beispiel, könnten das politische Verständnis fördern. Allerdings müssten diese Chancen auch von den Parteien wahrgenommen werden, was bisher viel zu wenig geschieht.

Parteizentralen tun gut daran, zu beachten, dass sich unsere Gesellschaft in rapidem Wandel befindet. „Individualisierung, Wertewandel und Globalisierung führen die zentralen Institutionen von Staat, Demokratie und Markt zunehmend an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit und fordern die Notwendigkeit neuer problemlösungs- und Bewältigungsstrategien ein“, schreibt Markus Freitag, Professor für Politikwissenschaft an der Uni Bern im SCHWEIZER MONAT.

Er verweist insbesondere darauf, dass das zivile Engagement der Bevölkerung in Vereinen erstaunlich hoch ist, dass gleichzeitig „die Facebook-Gruppe (auch Twitter), informative Forenbeiträge oder Blogs verfassen“ die Vorliebenstatistik im Internet anführt.  

Diese Informationen und Daten zeigen mit aller Deutlichkeit auf, dass unsere politischen Parteien mehrheitlich noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen sind. Ihre Basisarbeit ist wenig zukunftskompatibel, die benutzten Medien oft nicht mehr zeitgemäss. Viele Parteiorganisationsstrukturen sind überholt. Unser Föderalismus hat Besseres verdient.

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