Dieser Stammtisch fand wiederum in den Räumlichkeiten der NZZ in Zürich statt. Vielen Dank für die Möglichkeit, diese Räume zu nutzen.

Ausgehend vom thematischen Leitgedanken des Anlasses „Jung lernt von Alt lernt von Jung“ diskutierten rund zwei Dutzend Persönlichkeiten und Meinungsbürger, Junge und weniger Junge aus Bildung, Politik und Wirtschaft engagiert entlang der folgenden Fragestellungen:

  • Ist intergenerativer Wissenstransfer einer der Erfolgsfaktoren für den Wirtschaftsstandort Schweiz?
  • Welches sind die möglichen/zwingenden Inhalte und Themen des intergenerativen Wissenstransfers?
  • Welche Rolle kommt Staat und Bildungsinstitutionen im intergenerativen Wissenstransfer zu?
  • Welche Rolle kommt Unternehmen im intergenerativen Wissenstransfer zu?

„Intergenerativer Wissenstransfer: Ein Erfolgsfaktor?“

Zunächst herrschte hohe Einigkeit, dass diese grundsätzliche Frage nicht einfach mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten werden kann. Thematisiert wurde die sich stetig verkürzende Halbwertszeit des Wissens bzw. ob „altes“ Wissen überhaupt Relevanz hat. In diesem Kontext wurde u. a. das Phänomen Silicon Valley als Beispiel genannt. Das Durchschnittsalter der dort Beschäftigten liegt unter dreissig Jahren. Deutlich wurde zudem, dass die Jungen als Arbeitnehmer und Kunden von Morgen, wesentliches Wissen in sich tragen. Ältere verfügen hingegen häufig über Erfahrungen hinsichtlich Strukturierung von Wissen und Moderation von Abläufen. Bringt man diese komplementären Fähigkeiten zusammen, bekommt man rasch Ideen für ein potentiell fruchtbares Zusammenspiel von Jung und Alt.

„Inhalte und Themen des intergenerativen Wissenstransfers“

Bezüglich der Frage nach Inhalten und Themen herrschte zunächst Konsens: Die Rahmen-bedingungen und Gefässe müssen stimmen. Zwar dem einen zu „einfach“, dem anderen zu „esoterisch“ wurde die zentrale Notwendigkeit nach Offenheit für den Austausch trotzdem mehrfach betont. Unvoreingenommenheit, Vorurteilsfreiheit und die Bereitschaft zuzuhören wurden als wichtige Faktoren identifiziert. Grundsätzlich entscheidet dann der Kontext, welches Wissen von welcher Seite auch wirklich relevant ist. Die Herausforderungen liegen darin, neben offensichtlichen altersspezifischen Wissensinhalten wie beispielsweise die ICT-Kompetenz der Jungen, wertvolles Wissen beider Seiten im Kontext thematisch zu identifizieren und zum Inhalt des Transfers zu machen. Gelingt das, kann Wissenstransfer ein mächtiger Erfolgsfaktor sein.

„Rolle Staat und Bildungsinstitutionen“

Welche Rollen kommen Staat und Bildungsinstitutionen bei diesem Transfer zu? Es fängt beim Denken an, so wurde betont. Alt und Jung, beides muss gleichermassen wertvoll sein und für spezifische Qualitäten stehen. Resultierendes gegenseitiges Wissen um die Qualitäten des Anderen ist eine tragfähige Grundlage für einen ergiebigen Transfer. Staat und Bildungsinstitutionen kommt der Auftrag zu, dazu förderliche Anreizsysteme zu schaffen, ohne sich in die Autonomie der Arbeitgeber einzumischen. Zudem mit Angebot und Anreizsystemen entsprechende Impulse zu setzen. Ziel ist der selbstverständliche Austausch zwischen Jung und Alt als etablierter Bestandteil unseres Daseins. Weiterhin, auch das wurde mehrfach betont, sind Sozial- und Wirtschaftspolitik auf dieses gleichberechtigte Miteinander wertfrei auszurichten.

„Rolle Unternehmen“

Auch diesbezüglich war man sich einig: Der Austausch zwischen Generationen ist eminent wichtig für Unternehmen, da dieser den Veränderungsprozess (Transformation), dem die meisten Unternehmen ausgesetzt sind, beschleunigen und positiv beeinflussen hilft. Die Unternehmen sollten entsprechend dafür Plattformen bilden, welche diesen Austausch oder die Kooperation über Generationen hinweg ermöglichen. Verschiedene Aspekte, welche den intergenerativen Austausch fördern wurden in der Folge diskutiert. Es braucht in Unternehmen eine Kultur der Integration (Inclusion) und gelebter Diversity. Die Bereitschaft über Generationen hinweg neugierig aufeinander zuzugehen ist wesentlich und muss deshalb gezielt gefördert werden. Gegenseitige Qualitäten müssen bekannt, geschätzt und gezielt eingesetzt werden. Auch betont wurde: Nicht nur der Transfer von Wissen und Erfahrung von einer Generation zur anderen steht im Vordergrund, sondern die gemeinsame Anwendung von Wissen beider Seiten, also die aktive Zusammenarbeit.

Konklusion

Auch dieser Stammtisch war ein voller Erfolg. Die Feedbacks der Teilnehmer loben die Professionalität, die Zusammensetzung der Teilnehmer, die spannende und gleichermassen entspannte Diskussion in ansprechender Umgebung bei der NZZ. Der Stammtischidee folgend, wurden zahlreiche relevante Inhalte aufgegriffen und im Dialog reflektiert und intensiv diskutiert. Alle Teilnehmer nehmen Gedanken, eigene und neue, mit in ihr alltägliches Umfeld, reflektieren weiter und verbreiten diese. Das ist einer der Leitgedanken hinter dem StrategieDialog 21. Wir freuen uns bereits auf den nächsten Stammtisch.

Reflexion Stammtisch Bildung „Jung lernt von Alt lernt von Jung“ - Interview mit Rahel Wirth, Teilnehmerin Fraktion „Jung“

Das neue Jahr hat gestartet und alles dreht sich um Vorsätze und Leitideen für 2016. Dass Teilnehmer eigene und neu gewonnene Gedanken mit in ihr alltägliches Umfeld nehmen, reflektieren und weiter verbreiten, ist ein grundsätzlicher Leitgedanke hinter dem Stammtisch Bildung des Strategiedialog21. Rahel Wirth - Studentin der Wirtschaftsinformatik an der FFHS Zürich, tätig als IT Projekt Managerin bei der Credit Suisse - verrät uns im Interview ihre Gedanken zum Thema und Event sowie ihre Wünsche an SD21.

Zum Stammtisch Bildung:

Rahel, wie war dein Eindruck vom Anlass in Bezug auf die Teilnehmer und den Content?

[Rahel Wirth]: Es war mein erster Stammtisch und ich war unsicher, was mich erwartet, war die Teilnehmerliste doch sehr sehenswert für einen Gast, der als Studentin aufgeführt war. Für mich war es ein gelungener Anlass: Die Atmosphäre empfand ich als angenehm, es war sehr „unverkrampft“ und die Inhalte anregend und konkret zugleich.

Was könnte man beim nächsten Anlass anders machen?

Konsistent „Du“ anstatt „Sie“ – am Stammtisch siezt man sich in der Regel ja nicht. Während viele Teilnehmer bereits per Du waren, weil sie sich ohnehin kennen, und andere wiederum sehr offen waren und das „Du“ selbst anboten, verhedderte ich mich hin und wieder bei der Anrede.

Welche weiteren Persönlichkeiten hättest du dir beim Anlass gewünscht?

Ich denke, die Arbeitgeberwelt sowie das Hochschulwesen waren sehr gut vertreten. Gerade weil auch ich mich selbst bald nicht mehr zu den Jungen, aber auch noch nicht zu den Alten zähle, hätte ich mir Vertreter der ganz Jungen gewünscht – denn dies werden meineKonsumenten sein, die ich in der Chef-Etage von morgen beliefern werde. Vertreter des Bildungswesens der Primar- und Sekundarstufen I (obligatorische Sekundarschule (Schuljahre 7 bis 9), und II (allgemeinbildende (Gymnasium o.Ä.) oder berufsbildende Ausbildungsstufe) wären daher eine anregende Ergänzung gewesen. Gerne hätte ich auch eine Stimme der nicht mehr Arbeitstätigen gehört – unsere Lebenserwartung geht über den Austritt aus der Arbeitswelt hinaus. Auch hochinteressant wäre vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen als auch kulturellen Globalisierung ein Blick über die Landesgrenzen hinaus gewesen. Spannend in diesem Kontext finde ich den indischen Bildungswissenschaftler Sugata Mitra.

Persönliche Gedanken:

Was heisst für dich jung und alt?

Alter unterliegt meiner Meinung nach gerade in einer säkularen Gesellschaft einer sehr individuellen Wahrnehmung von Zeit und deren Auslebung. Wollte ich mit 16 unbedingt 18 sein, mit 18 endlich 21, und nun mit einem Viertel Jahrhundert bloss nie älter als 27 (weil es schon so nahe bei 30 ist), kann ich es heute dabei belassen, dass Jung und Alt eben immer eine Frage des jeweiligen Kontexts ist. Wenn mich fremde Kinder auf der Strasse mit einem „Grüezi“ grüssen, fühle ich mich alt – weil ich den Übergang zum Erwachsensein nicht so bewusst wahrgenommen habe. Dieser ist in unserer Gesellschaft schliesslich ein schleichender und zunehmend länger anhaltender Prozess. Wenn ich neben meinem 70 Jahre älteren Opa sitze, dann fühle ich mich wieder sehr jung – weil mir bewusst wird, was noch alles vor mir liegt.

Was ist Dein „key take away“ vom Anlass?

Es ist ein ganz persönliches, das nicht direkt im Verbindung mit dem Thema steht: Fest vorgenommen habe ich mir, auch in Zukunft nicht müde zu werden, Fragen zu stellen, wenn ich etwas nicht verstehe. Aber auch dann – nicht bloss rein akustisch – Zeit meines Lebens zuzuhören, wenn mir die Antworten nicht gefallen.

Was wünschst du Dir in deinem Arbeitsumfeld in Bezug auf „Jung lernt von Alt lernt von Jung“?

In meiner studentischen Umlaufbahn sowieso, aber auch im Umfeld meines Arbeitgebers lebe ich in meinem fachlichen Lernprozess überwiegend das klassische Modell: Jung lernt von Alt. Meine Dozenten, Vorgesetzten und Peer-Gruppe könnten alterstechnisch gesehen meine Eltern sein. Es gibt hier viele Themenfelder, in denen ich von meinen erfahreneren Kollegen profitiere, was sich bitte auch nicht gleich morgen ändern soll: Mitarbeiter-Führung, die nach einer klaren Linie, einer guten Portion Gelassenheit und Standfestigkeit fordert; Umgang mit Konflikten,  die sich einfacher lösen lassen, wenn man durch Erfahrung weiss, dass es nicht der erste und nicht der letzte und schon gar nicht der schlimmste sein wird; taktisches Vorgehen, das der reinen Schulbuchlehre an sich völlig widersprechen mag, aber in einem sozialen Umfeld nach anderen Regeln verlangt. Bei meinem Arbeitgeber würde ich mir wünschen, ungeachtet des Alters eine noch grössere Plattform zu erhalten, bei der ich auch mal vor erweitertem Publikum ausserhalb meines Bereiches Unkonventionelles tun kann, ohne dies vorher absprechen zu müssen.

Im KMU meiner Eltern gehen wir bereits in die andere Richtung. Mein Vater ist sehr froh, mir gewisse Themen abgeben zu können, von denen er sich bewusst ist, dass er mit seinem Wissen nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Dinge ist oder gar befangen sein könnte. Er ist dankbar für diese Form des Austauschs mit meiner Generation, der Generation seiner erwachsenen Kinder, und ich freue mich über das - von einem gestandenen Unternehmer - mir entgegen gebrachte Vertrauen. Immerhin musste er mir einst beibringen, wie man einen Löffel richtig hält – ein nicht unbedingt förderlicher Gedanke, wenn man dabei ist, Verantwortung abzugeben. In diesem Bereich würde ich mir wünschen, das Unternehmen in den nächsten Jahren für einen Verkauf an einen Nachfolger fit zu machen – mit allem drum und dran.

Was im Bezug auf die Methodik setzt du selber im Alltag um?

Gerade als Projektleiterin ist es mir ein Anliegen, auf angemessene Art und Weise alle zu involvieren und zu beteiligen. Dabei habe ich gelernt, jeden individuell abzuholen, da abhängig von seinem oder ihrem Platz im Raum, Jung oder Alt, der Blick auf mein Anliegen ein anderer ist. Jeder kommt mit eigenem Gepäck und die Menschen sind wie sie sind – und so müssen wir sie nehmen, denn anders bekommen wir sie nicht. Und gerade im Umgang mit Ängsten oder Scham können zwei kleine Worte Wunder bewirken: Ich auch.

Was könnte jeder im Alltag umsetzten um den Austausch zwischen „jung und alt“ zu fördern?

Respektvoller Umgang, auch wenn man halt mal über seinen eigenen Schatten springen und dabei in Vorleistung treten muss – was eigentlich nicht einmal spezifisch eine Frage im Umgang mit Jung oder Alt ist, sondern sowohl Jung als auch Alt einfordern.

Wen würdest du am liebsten nominieren einen Beitrag zum Thema „Jung lernt von Alt lernt von Jung“ zu leisten?

Die Mehrheitsaktionäre: Das Patriarchat, das Patronat, und die Kinderlosen.

Welche Frage würdest du im Zusammenhang mit dem Anlass am liebsten gestellt bekommen? Und warum?

Würdest du beim nächsten Mal bitte neben Martin Suter am Tisch sitzen? – Der Mann hat Ideen, ich erinnere mich gerne an Die Zeit, die Zeit.

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