Eine neue Studie zeigt, was viele Selbständige längst wissen: in der Schweiz floriert die Staatswirtschaft.

«Die Schweiz steht im Banne von Globalisierung, Deregulierung und Privatisierung» – für die Gewerkschaften, die Sozialdemokraten aller Parteien und die sich als progressiv verstehenden Journalisten herrscht der Primat der Ökonomie. Ihnen stehen die anwaltschaftlichen Vertreter der Wirtschaft gegenüber, die obsessiv vom «Erfolgsmodell Schweiz» sprechen, das es zu bewahren gelte. Sie verweisen auf Wirtschaftsliberalismus und Unternehmertum als Bastion gegen die Avancen politisch-zentralistischer Einflussnahme von allen Seiten.

So unterschiedlich die Sichtweisen sein mögen, die Verfechter beider Positionen sind sich offensichtlich in ihrem Grundbefund einig: Es gibt so etwas wie eine helvetische Marktwirtschaft, einen liberalen Arbeitsmarkt und einen schlanken Staat mit tiefer Fiskalquote. Der Unterschied ist, dass die einen bewahren möchten, was die anderen gerne umkrempeln würden.

Die echten Unternehmer wissen indes längst aus ihrem Alltag, dass das «Erfolgsmodell Schweiz» im beschriebenen Sinne vor allem eine fixe Idee aus besseren Zeiten darstellt. Der Staat ist der stille unscheinbare Dritte, der den Unternehmern in allen wirtschaftlichen Transaktionen über die Schultern schaut – geschmeidig, allumfassend, totalregulierend.

Diesen staatlichen Fussabdruck vermisst eine neue Studie des Wirtschaftsverbands Economiesuisse. «Staat und Wettbewerb» – der Titel klingt brav, die Zahlen sind es nicht. Der Staat ist omnipräsent: als Preissetzer, als Auftraggeber, als Eigentümer, als Arbeitgeber und natürlich als Steuereintreiber. Hier die Resultate der Studie: 30 Prozent aller Preise sind direkt staatlich administriert, über 50 Prozent indirekt. Die öffentliche Hand ist mit 36 Milliarden Franken Auftragsvolumen grösster Kunde in der «Privatwirtschaft». Ein Fünftel der gesamten Vermögenswerte gehört dem Staat (500 Milliarden Franken). Rund ein Drittel der Erwerbstätigen arbeitet direkt beim Staat oder in einem staatlich dominierten Betrieb. Die Quote an Zwangsabgaben beträgt in der Schweiz zurückhaltend gerechnet 43 Prozent – der Private darf bloss noch über gut die Hälfte seines Einkommens frei verfügen.

Gemäss Verfassung hätten sich «Bund und Kantone an den Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit» zu halten – Abweichungen wären begründungspflichtig. Theoretisch. Denn mit Wirtschaftsfreiheit – also mit Wettbewerb, freier Preisbildung und Konsumentensouveränität – hat das helvetische System nur noch am Rande zu tun. Begründungspflichtig sind heute nicht die Eingriffe in den Markt, sondern die letzten Nischen freier privatwirtschaftlicher Aktivität. Wer – frei nach Marx – in einer solchen vergesellschafteten Wirtschaft Erfolg haben will, darf den unscheinbaren Dritten nie aus den Augen verlieren. Nie. Sonst bekommt er plötzlich knallhart zu spüren, was dessen anwaltschaftliche Vertreter unter Wirtschaftsfreiheit verstehen.

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