Mit dem Kanton Zürich hat Mitte Mai 2022 ein weiterer Stand über das Stimmrechtsalter 16 abgestimmt. Das Ergebnis mit der Zweidrittel-Ablehnung muss als wuchtig bezeichnet werden. Es ist davon auszugehen, dass das Resultat – immerhin ist Zürich ein Grosskanton – Folgen für die Gesamtschweiz haben wird. Trotzdem muss festgehalten werden, dass die Auswirkungen der zwei neuen Jahrgänge bei einer Annahme und bei künftigen Abstimmungen praktisch nutzlos geblieben wären. Mit der Überalterung unserer Gesellschaft liegt das Problem anderswo, nämlich im hohen Stimmgewicht der älteren Generation. Dieses führt dazu, dass die Jungen stets überstimmt werden. In absehbarer Zeit kann dies zu einem Generationenkonflikt führen. Und niemand hat Schuld daran.

Das heutige Stimm- und Wahlrecht ist aufgrund zweier Entwicklungen in Schieflage geraten. Zum einen hat sich die Alterspyramide in ihrer Form stark verändert. Gründe sind die niedrige Geburtenrate mit gleichzeitig hoher Lebenserwartung. Die gesellschaftlichen Veränderungen haben so zu generationenübergreifenden Verwerfungen geführt. Zum andern sind bei der jüngeren Generation sorgenvolle Trends festzustellen. Einer davon ist im niedrigen Politikinteresse (Quelle: Koller, D., Dissertation zu «Politische Partizipation und politische Bildung in der Schweiz - Eine empirische Untersuchung des Partizipationsverhaltens junger Erwachsener in der Schweiz», (2017)) zu finden. Ein Drittel der Jungwähler/innen verfügt über ein sehr geringes politisches Wissen.

Dem Dilemma kann gezielt begegnet werden. An den Berufsfachschulen und Gymnasien – an der Nahtstelle zur Mündigkeit – muss mehr politische Bildung gefordert und implementiert werden. Dadurch kann das Ziel einer höheren Partizipation an der Urne erreicht werden. Mit Blick auf die Grundproblematik wird dieser Ansatz allein nicht reichen. Es braucht eine tiefergreifende Reform, um den Alters-Graben zwischen den Generationen auszugleichen oder gar umzukehren. Ein Modellansatz könnte wie folgt aussehen: Die Stimm- und Wahlberechtigten im Alter von 18 bis 45 Jahren müssten ein 2-faches Gewicht, solche ab 46 Jahren und bis zur Pensionierung ein 1.5-faches, und Pensionierte das bisherige Stimmgewicht erhalten. Mit einer solchen Umverteilung liesse sich das heutige System aufrichten und korrigieren.  

Es ist Zeit, dass sich Politik und Gesellschaft mit der altersabhängigen Stimmrechtsgewichtung befassen. Zum Stimmrechtsalter 16 werden weitere Abstimmungen folgen. Auch die Idee, wonach an den demografischen Rändern – Eltern füllen zusammen mit ihren Kindern den Stimmzettel aus, so wie das in den Alters- und Pflegeheimen durch das Personal mit den älteren Menschen gehandhabt wird – liegt auf dem Tisch. Und die Meinung, wonach das Stimm- und Wahlrecht nur bis zu einem gewissen Alter möglich sein soll, wird diskutiert. Der älteren Generation jedoch die Stimme wegzunehmen, ist wohl ein schwierigeres Unterfangen als eine Verlagerung des Stimmgewichtes zu Gunsten der Jüngeren. Tatsache bleibt, dass in den kommenden Jahrzehnten über zahlreiche und insbesondere weitreichende Vorlagen abgestimmt werden muss. Hierzu müsste das Motto heissen: «Den Jungen die Zukunft.»

 

Autor:

Niklaus Gerber war bis zu seiner Pensionierung im August 2022 Abteilungsleiter und Mitglied der gibb-Schulleitung Bern und hat sich nun mit NORDWÄRTS – Kompass für kompetente Führung selbständig gemacht. 2019 war er als Finalist beim Wunsch-Schloss mit dabei.

 

 

 

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