Die Schweiz hat viele Vorreiterrollen. Dieses Jahr kam eine gross angelegte amerikanische Studie sogar zum Schluss, dass die Schweiz "das beste Land der Welt" ist.

Auch beim Thema Innovation führt unser kleines Land. "Information is Beautiful" ist ein Buch, das Daten & Informationen in Grafiken visualisiert. Es zeigt die Schweiz als innovativstes Land.

In unserem aktuellen Denkanstoss beantwortet Prof. Dr. Tina Freyburg (Professorin für vergleichende Politikwissenschaft an der Universität St. Gallen), warum genau die Schweiz die Rangliste anführt und in welchen Bereichen noch Verbesserungspotential besteht.   

Information is beautiful, ein Buch, das Daten & Informationen in Grafiken visualisiert, zeigt die Schweiz als Anführer beim Thema Innovation. Warum genau die Schweiz?

In den Bereichen Innovation und Forschung ist die Schweiz international renommiert und belegt regelmässig Spitzenplätze unterschiedlicher Rankings. Das Buch, auf das Sie ansprechen, bezieht sich auf den Global Innovation Index der Weltorganisation für geistiges Eigentum in Genf. Die inzwischen mehrjährige Vorreiterrolle der Schweiz wird auch damit begründet, dass sich die politischen Entscheidungsträger über die Bedeutung von Innovation für eine dynamische und kompetitive Wirtschaft bewusst sind und die entsprechenden Rahmenbedingungen sichern. Innovation bedeutet schliesslich kontinuierliches Investment, vor allem in Bildung und Forschung, sowie Institutionen, die den nötigen Raum und die Sicherheit geben, den Mainstream zu verlassen und dabei auch Risiken eingehen zu können.

Was braucht es, damit Innovation entstehen kann und gefördert wird?

Spannende neue Initiativen entstehen selten aus dem Nichts. Sie sind vielmehr meistens das Resultat harter Arbeit. Vorbilder zur Orientierung und Inspiration sind dabei wichtig. Gute Ideen bedürfen der kritischen Auseinandersetzung und einer Kultur des gegenseitigen Anspornens. Wenn es darum geht, etwas Innovatives zu schaffen, dann hilft es nicht, wenn ihr Team aus Menschen besteht, die genauso sind wie sie selbst. Und man muss die notwendigen Freiräume geben und verdeutlichen, dass niemand beim ersten Versuch erfolgreich sein muss. Insgesamt braucht es eine Zukunftsgewandtheit, die den Mut hat, Altes nicht nur in Frage zu stellen, sondern auch konsequent Neues auszuprobieren. Gesellschaftliche und politische Innovationen sind meiner Ansicht nur da möglich, wo man das Alltagswissen verlässt und auf evidenzbasierte Methoden setzt. Nachhaltige Lösungen auf gesellschaftliche Herausforderungen wollen nicht nur neu gedacht, sondern auch wissenschaftlich fundiert sein.

Als Forscherin müssen auch Sie innovativ sein. Wie gelingt es Ihnen, die richtigen Fragen zu stellen?

Gute Forschungsfragen tragen nicht nur zur wissenschaftlichen Debatte bei, sondern haben vor allem Relevanz bei der Lösung realer politischer Probleme. Dabei befinde ich mich als Forscherin in der aussergewöhnlichen Situation, mich hauptberuflich von meiner eigenen Neugierde leiten zu lassen, vermeintliche Zusammenhänge in Frage zu stellen („Ist das so?“) und komplexe Phänomene verstehen zu wollen („Wie ist es dann?“). Gerade beschäftige ich mich beispielsweise mit den Bedingungen unter denen autoritäre Staaten digitale Information und Kommunikation kontrollieren können - und welche Rolle kommerzielle Internetanbieter dabei spielen. Ich lerne dabei unglaublich viel über die Architektur des Internets und die unterschiedlichen Interessen der beteiligten Akteure. Wenn wir Wissenschaftler über ein Problem nachdenken, gehen wir nicht unbedingt logisch vor, so wie wir es später in der Veröffentlichung darstellen. Vielmehr spüren wir häufig unseren Vermutungen nach, vergleichen und experimentieren. Intuition spielt dabei auch eine grosse Rolle. Wirkliche Innovationen entstehen dabei oftmals, wenn wir bei der Suche nach Antworten unsere Komfortzone verlassen und neue Pfade ausprobieren.

Im Thema Innovation ist die Schweiz Vorreiter. In anderen Bereichen wie Gleichstellung hinkt sie jedoch hinterher und verschlechtert sich sogar (The Global Gender Gap Report 2017). Wie kann die Schweiz auch hier punkten?

Chancengerechtigkeit ist nicht dann gegeben, wenn ein weiblicher Einstein es in die Topposition schafft, sondern wenn ein gut begabtes Mädchen und ein gut begabter Junge gleichermassen vorankommen. Je selbstverständlicher es wird, dass sich in allen Jobs und auf allen Hierarchiestufen Frauen wie Männer finden, desto besser. Dafür gilt es gesellschaftliche Stereotype aufzubrechen und zu verändern. Hierfür braucht es Vorbilder, vor allem aber bessere Rahmenbedingungen für Familien. Es sollte selbstverständlich werden, dass ein Mann für eine gewisse Zeit seine „Vaterrolle“ richtig wahrnimmt. Wenn nämlich etwaige Arbeitsunterbrechungen und ein reduziertes Pensum sowohl für Männer als auch Frauen die Folge von Familiengründung sein könnten, dann wäre dies kein Argument mehr für die Stellenbesetzung durch einen Mann. Auch hier wäre Innovation seitens der Schweizer Politikschaffenden und Arbeitgeber gefragt!

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