Michael Ambühl ist seit 2013 ordentlicher Professor für Verhandlungsführung und Konfliktmanagement an der ETH Zürich. Als Chef-Unterhändler hat er die Bilateralen Abkommen II zwischen der Schweiz und der EU ausgehandelt. Der Bundesrat ernannte ihn 2005 zum Staatssekretär im Aussenministerium und 2010 zum Staatssekretär im Finanzministerium. Seine langjährigen Erfahrungen bei internationalen Verhandlungen gibt er heute als Direktor der Swiss School of Public Governance (SSPG) an der ETH weiter. Die ETH Zürich Foundation sprach mit ihm über Demokratie und Diplomatie.

Ob Europa oder die USA - das Vertrauen in die Demokratie und in die Führungseliten schwindet. Wie beurteilen Sie die momentane Situation?

Michael Ambühl: Aus meiner Sicht gibt es weder in Europa noch in den USA eine Demokratiekrise. Die Demokratie ist eine Art kybernetisches System, das erlaubt, Feedbacks aus der Bevölkerung aufzunehmen. Und wenn dieses System Fehlentscheidungen trifft, können diese später wieder korrigiert werden. Für mich sind sowohl die Wahl von Donald Trump als auch das Brexit-Referendum Teil der Demokratie. Sie stellen eher einen heilsamen Schock dar und erinnern die Politik daran, immer alle Menschen in den Politikprozess einzubinden, und zwar egal, ob alt oder jung, Frau oder Mann, besser oder schlechter ausgebildet.

Wie lassen sich die Menschen besser einbinden und die Demokratie stärken?

Natürlich sind regelmässige Wahlen essenziell. Ausserdem kann die Politik die Bevölkerung bei Entscheidungsprozessen miteinbeziehen, wie die Schweiz dies mit Volksabstimmungen tut. Dieses partizipative Element könnte eigentlich auch anderswo vermehrt benutzt werden, auch wenn man damit das Risiko eingeht, dass das Resultat nicht immer so ausfällt, wie man es gerne hätte. Enorm wichtig sind zudem die strikte Gewaltenteilung, Transparenz und eine vernünftige Amtszeitbeschränkung.

Sind dies auch die Themen, die Sie den Teilnehmenden an der Swiss School of Public Governance vermitteln?

Die SSPG hat zwei unterschiedliche Ziele. Zum einen leistet die ETH Zürich als global aktive Hochschule mit dem Angebot eines Abschlusses (CAS) in «Public Governance and Administration» einen Beitrag zur Ausbildung junger Führungskräfte aus aufstrebenden Demokratien. In diesem Lehrgang für internationale «high Potentials» aus dem öffentlichen Sektor behandeln wir Themen wie Transparenz, Mitspracherecht und regelgebundene Regierungsführung. Damit will die SSPG-ETH ihren kleinen Beitrag zu einer gerechteren Welt leisten.

Und das zweite Ziel?

Zum anderen richtet sich die SSPG mit einem Abschluss (CAS) in «International Policy and Advocacy» gezielt an Vertreter der öffentlichen Verwaltungen der Schweiz. Denn bei uns hat fast jede Aufgabe des öffentlichen Sektors eine internationale Dimension – sei dies im Finanzwesen, der Landwirtschaft, bei Umweltthemen, dem Handel oder Verkehr. Verhandlungsgeschick und eine professionelle Interessensvertretung gegen aussen sind daher für öffentliche Angestellte wichtig. Als Schweizer Hochschule möchte die ETH mit dieser Ausbildung das nötige Knowhow vermitteln, um die Interessen der Schweiz im kompetitiven internationalen Umfeld erfolgreich vertreten zu können.

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