Du hast mit deinem Projekt Agrivoltaik im Juni 2022 das Wunsch-Schloss «Mission für das Klima» gewonnen. Was hat dein Sieg rückblickend bewirkt? Fürs Projekt? Für dich persönlich?
Projekte starten klein und gerade zu Beginn ist es entscheidend, die richtigen Kontakte zu knüpfen, die dann gezielt gepflegt werden können. Das Wunsch-Schloss bietet wertvolle Hilfestellung das relevante Netzwerk in Bewegung zu setzen. Dank den soliden Verbindungen zur Politik werden Treffen mit den Generalsekretären der wichtigen Parteien ermöglicht. Dies hat in meinem Fall sehr konkrete Diskussionen bewirkt. Das Thema Agrivoltaik ist relevant und kurz nach den Gesprächen wurde vom Tessin ein entsprechender Vorstoss eingereicht. Das Parlament muss jetzt entscheiden, ob dieser weiter diskutiert wird.
Parallel wurde über das Wunsch-Schloss Netzwerk und die Politik der Kontakt zum Bauernverband aufgebaut. Mitte Januar 2023 wird das Thema Agrivoltaik im Verband anlässlich eines gesonderten Gesprächs diskutiert.
Ich freue mich über diese Entwicklungen und bin dankbar, dass «Bewegung ins Spiel» kommt.
Was ist Agrivoltaik? Was willst du damit bewirken?
Agrivoltaik ist die Errichtung eines Photovoltaik-Systems über einer landwirtschaftlichen Fläche, wobei die Landwirtschaft im Vordergrund steht und das technische System zunächst die Pflanzen vor Hagel, Frost, Austrocknung oder Regen schützen soll. Die bekannten Hagelschutznetze oder Schutzplanen werden dann als Photovoltaiksystem mit einer angepassten Verschattung ausgebildet. Angestrebt wird eine Win-Win Situation: Den Ertrag sichern bzw. Verpilzung durch Feuchtigkeit in den Blättern zu vermeiden und gleichzeitig (etwas) elektrische Energie durch die Photovoltaik zu erzeugen.
Häufig unterschätzt man die vielen zusätzlichen «Baustellen», die es ausserhalb des eigentlichen Projektes zu lösen gibt. Bei der Agrivoltaik sind dies, unter anderem, dass:
- Bauern auf ihren Feldern formal eine Anlage errichten dürfen, denn landwirtschaftliche Flächen liegen in der Regel nicht in einem Gewerbegebiet und Photovoltaikanlagen auf Äckern sind daher formal nicht erlaubt;
- es eine Wegleitung gibt, die den Bauern eine Hilfestellung gibt, welche Fruchtfolge welche Verschattung bei dem gegebenen Boden und Temperaturen/Einstrahlungen usw. welchen Ertrag erwarten lassen. Hierzu muss noch geforscht werden. Ohne diese Information werden Bauern nicht das Risiko eingehen wollen. Dieses spezielle System bietet aber die Möglichkeit einzelne Solarmodule herauszunehmen bzw. hinzuzufügen, um den Verschattungsgrad nachträglich anzupassen, ohne das System zu verändern;
- es eine Bauartzulassung geben darf, die einen Aufbau generell erlaubt.
Welchen Wunsch, welche Wünsche hast du für 2023, wenn du an dein Vorhaben denkst?
Manchmal wünsche ich mir, dass einiges einfacher und weniger komplex wäre.
Allerdings gehen Wünsche manchmal auch in Erfüllung. Ein Beispiel ist der erwähnte Vorstoss in dem Bereich Agrivoltaik im Parlament. Dieser zeigt, dass die Zeit reif ist für neue Anwendungen.
Wir benötigen Nahrungsmittel und Energie, haben begrenzte Kulturflächen und möchten weniger Pestizide und Fungizide einsetzten. Wenn die Agrivoltaik richtig implementiert wird, können diese Ziele gleichzeitig erreicht werden!
Vorarbeiten müssen jetzt gemacht und Lösungen getestet werden. Ich denke, dann wird einer meiner Wünsche mehr erneuerbare Energie zu erzeugen in Erfüllung gehen.
Im 2023 wünsche ich mir eine Pilotproduktion mit dem neuen Solarmodul zu starten und erste Pilotsysteme für die Agrivoltaik aufbauen zu können. Danach muss die Natur auf den Äckern zeigen wieviel Photovoltaik und in welcher Form sinnvoll ist.
Das entwickelte System denkt die Photovoltaik neu: Weg vom technisch optimierten System zur Stromerzeugung, welches alle Finessen von Hochspannung und spezieller Isolation bedarf und zu einem möglichst einfachen, sicheren Photovoltaik-Baumaterial, womit jeder seine eigene Anlage aufbauen kann. Das «Baumaterial» ist eine Kunststoff-Photovoltaik-Platte, die halbsteif und etwas biegbar ist und die man ganz einfach wie eine übliche Bauplatte auf einen Carport, eine Fassade, einen Balkon, ein Flachdach usw. schrauben kann. Man kann dazu alle üblichen Baumaterialien kombinieren und benötigt keine Spezialprofile, Solarkabel usw. mehr. Dieses spart Kosten im Systemaufbau. Die Gesamtkosten für ein Photovoltaiksystem sind daher gleich günstig wie ein System mit importierten Modulen aus Fernost und die Module können in Europa und sogar in der Schweiz hergestellt werden.
Bei der Entwicklung hat mir meine 25-jährige Erfahrung in der Photovoltaik-Industrie geholfen. Es wird z.B. ein hoch UV-beständiger Kunststoff verwendet, der darüber hinaus einen deutlich geringeren CO2-Fussabdruck als die üblichen Kunststoffe in einem Photovoltaik-Modul hat. Da ausserdem Aluminium-Rahmen, Glas, Solarkabel und Anschlussdose entfallen, ist der CO2-Fussabdruck deutlich geringer als bei einem «normalen» PV-Modul. Ausserdem kann beim Aufbau auf die üblichen Aluminium-Profile verzichtet werden und das Upcycling am Lebensende nach 25 oder 40 Jahren des Kunststoffmaterials wurde beim Design schon eingeplant. Die sogenannte Life Cycle Analyse (LCA) wird gerade berechnet, erste Abschätzungen zeigen schon jetzt einen geringeren CO2-Fussabdruck als bei einer herkömmlichen Photovoltaik-Anlage, die ihrerseits wiederum gegenüber z.B. Gaskraftwerken einen bereits sehr kleinen CO2-Fussabdruck hat.
Eigens montierbare, preiswerte, kundenspezifische, sichere Photovoltaik mit geringem CO2-Fussabdruck ist der Charme des neuen Systems und ermöglicht mit dem leichten und halbsteigen Solarmodul interessante und neue Anwendungen, wie z.B. die Agrivoltaik. Es sind aber ganz viele weitere Anwendungen mit diesem System denkbar: Folientunnel, Silotürme, Industriedächer mit geringem Flächengewicht, Fassaden, Bushäuschen, überdachte Fahrradwege, Vertikalanlagen auf Flachgründächern, Carports und viele mehr. Die Systeme sind leicht und sicher. Es gibt keinen Glasbruch, keine elektrische Gefährdung usw. Viele bekannte und neue Anwendungen werden damit möglich werden.
Die Investorensuche für die Pilotfertigung läuft. Es werden auch Standorte in der Schweiz diskutiert. Trotz der vielen Vorzüge dieses Systems ist es nicht einfach, Kapitalgeber zu finden.
Was wünschst du dir grundsätzlich für die Schweiz von morgen? Welche Chancen gibt es heute anzupacken, damit diese morgen in Erfüllung gehen?
Ich denke viele Menschen erkennen die Herausforderungen, vor denen wir jetzt stehen und die sich in den letzten 50 Jahren akkumuliert haben: Klimawandel, hohe Energiekosten und Energiemangel. Die Abhängigkeit vom Ausland bezüglich Energieimporte, dem Importieren von Solarmodulen und vielen anderen Produkten, sowie die Abwanderung der Produktion aus Europa in ferne Länder.
Dabei sind die Lösungen bekannt: Jeden Tag erhalten wir sehr viel Energie von der Sonne, die wir noch effizienter nutzen können. Eine aktuelle Studie der ZHAW zeigt, dass die Agrivoltaik jedes Jahr bis zu 80 TWh elektrische Energie liefern könnte. Dies übersteigt den gesamten elektrischen Energieverbrauch von ca. 60 TWh in der Schweiz heute. Wir könnten also mit dieser Energie Wärmepumpen, Elektroautos und vieles mehr versorgen und damit den Bedarf an fossilen Energieträgern reduzieren.
Aber wir müssen loslegen. Es ist klar, dass wir mehr heimische Energie benötigen. Die Lösungen sind bekannt. Wir müssen handeln und umsetzen. Hier liegen die grossen Herausforderungen.
Meine Wünsche fürs Umsetzen:
- Gut nachdenken und dann «einfach mal machen». Machen heisst etwas aufbauen.
- Mehr Ehrlichkeit und Vernunft in der öffentlichen Kommunikation. Z.B. Klimastrategie 2050: Der Energiemangel und die damit verbundenen hohen Preise haben gezeigt, dass die Schweiz, jedes Dorf, jedes Gebäude unabhängiger von importierter Energie werden muss. Das ist das Kernanliegen der Energiestrategie 2050. Lösungsansätze gibt es seit Jahren:
○ Energie effizient und sparsamer einsetzen
○ weniger grosse Kraftwerke, mehr dezentrale Erzeugung
○ Mobilität sinnvoll umbauen, attraktiver öffentlicher Verkehr, weniger fossile Kraftstoffe
○ Vollkostenrechnung mit den externen Kosten für alle vom Staat unterstützen Massnahmen
○ Nachhaltige Massnahmen bei gleichen Kosten bevorzugen
Leider konnte seit dem Beschluss der Energiestrategie 2050 noch viel zu wenig von diesem «Megaprogramm» konkret definiert und umgesetzt werden. Eine Strategie ist nur eine Idee, wie die Zukunft aussehen könnte. Anschliessend braucht es Pläne und die konkrete Umsetzung. Gegenüber der EU hat die Schweiz den Vorteil schneller entscheiden zu können. Dies ist eine grosse Chance, die genutzt werden kann.
Für unsere Zukunft ist es jetzt Zeit aus der Komfortzone herauskommen.
Was ist dein Lebenselixier?
Ganz einfach: Etwas zu machen, was mir Spass macht.