Es gibt Geschichten, die wir über uns selbst immer wieder erzählen. Szene für Szene entsteht so das Drehbuch unseres Lebens. Menschen brauchen Geschichten, um ihre Handlungen und ihre Welt zu verstehen. Petra Biondina Volpe, die erfolgreichste Schweizer Drehbuchautorin und Regisseurin, erzählt im Gespräch vom Plot ihres Lebensweges. »Ich versuche aber auch immer wieder die Narration, die ich über mich selbst habe, infrage zu stellen«, sagt sie.

In New York werden die Uhren jedes Jahr etwa zwei Wochen vor Europa auf Sommerzeit umgestellt. Das sorgt offenbar nicht nur bei unserem Videocall via Skype für Verwirrung. »Manchmal rufen die Leute aus der Schweiz um vier Uhr morgens an«, schildert Petra Volpe. Sie ist flexibel und scheint ohnehin rund um die Uhr mit vielen Dingen gleichzeitig beschäftigt zu sein. Laufend erhält sie Mails und Benachrichtigungen, die sie nebenher beantwortet, ihre Augen springen von Bildschirmfenster zu Bildschirmfenster, das Handy klingelt immer wieder – aber nichts bringt sie aus der Ruhe. Sie scheint Multitasking gewohnt zu sein. Die Antworten bleiben souverän und fliessend.

Wie in einem Film vertiefen wir uns am Bildschirm in ihre Erzählung und erhalten durch die Kamera einen kleinen rechteckigen Einblick in ihre Welt: ein Zimmer ihres Brownstonehauses in Brooklyn, New York, wo die Schweizerin seit sechs Jahren am anderen Ende der Welt mit ihrem Ehemann und dessen beiden Töchtern lebt. In einer riesigen Stadt, die fast so viele Einwohnerinnen und Einwohner hat wie unser ganzes Land.

Es war einmal ein kleines Mädchen

Begonnen hat die Geschichte der Schweizer Regisseurin in einer ganz anderen Szenerie: Im aargauischen Dorf Suhr kam Petra Volpe 1970 in einer kleinen, überschaubaren Gemeinschaft zur Welt: Einfamilienhäuser statt Wolkenkratzer, Kuhglocken statt Sirenen. Ein Ort, wo jede alles über jeden weiss. Die Menschen dort hatten keine allzu grossen Erwartungen an das Leben. Und schon gar nicht an ein Arbeitermädchen mit italienischen Wurzeln. Sie solle eine Lehre machen und später eine Ehefrau mit Kindern werden, hiess es. »Es wurde nicht damit gerechnet, dass ich wahnsinnig viel erreichen könnte, darum hat man sich auch nicht die Mühe gemacht, mich zu fördern. Meine Legasthenie beispielsweise wurde gar nicht erst bemerkt «, meint Petra Volpe.

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